Forschungs-Nachricht
Nach der Synthese in der Zelle werden Proteine oft durch Enzyme modifiziert, die kleinere Moleküle anhängen. Diese Reifungsprozesse werden als posttranslationale Modifikationen bezeichnet, weil sie nach der Proteinsynthese (Translation) stattfinden. Oft ist ihre Funktion nicht bekannt. Zum Beispiel mangelt es an detailliertem Wissen über besondere zelluläre Strukturen, den Mikrotubuli.
Mikrotubuli sind sehr lange Filamente, die aus einem Protein namens Tubulin aufgebaut sind. Diese Filamente bilden zelluläre Gerüste, die mehrere Funktionen erfüllen. Insbesondere können sie schlanke Anhängsel bilden, Zilium oder Flagellum genannt, die aus der Oberfläche vieler Zellen herausragen und als sensorische Antennen dienen. Einige dieser Antennen, etwa die Flimmerhärchen in unseren Atemwegen oder das Flagellum von Spermien, können sich bewegen. Mikrotubuli dienen auch als Gerüst des Spindelapparats, mit dem die Chromosomen bei der Zellteilung getrennt werden, oder des langen Zytoskeletts von Nervenzellen. Was befähigt Mikrotubuli, so vielfältige Funktionen zu erfüllen?
Das Spermienflagellum ist ein Beispiel dafür was für raffinierte biologische Strukturen von der Natur entwickelt wurden. Das Flagellum besteht aus Mikrotubuli auf denen molekulare Motoren - Dyneine genannt – sitzen. Die Motoren können die Mikrotubuli biegen und erzeugen so den Flagellenschlag für den Antrieb und die Steuerung der Spermien. Die Aktivität von Tausenden von Motoren ist synchronisiert, ähnlich dem Takt der Ruderer in einer Galeere. Für den Aufbau und die korrekte Funktion dieser komplexen Biomaschine muss die Oberfläche der Mikrotubuli vorbereitet werden.
Eine wichtige Modifikation der Mikrotubuli ist die Glycylierung, bei der Seitenketten von Glycin - einer Aminosäure - an Tubulin angehängt werden. Diese Modifikation wurde bereits in den 90er Jahren entdeckt, ihre Rolle blieb jedoch rätselhaft. In einer kürzlich in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie von Gadadhar und Kollegen wurde berichtet, dass Spermien nicht geradeaus schwimmen können, wenn die Glycylierung fehlt. Diese Studie legt nahe, dass die Glycylierung essentiell ist, um die Mikrotubuli-Oberfläche des Flagellums für ihre Funktion vorzubereiten. Um dies zu zeigen, wurde am Institut Curie in Orsay ein Mausstamm entwickelt, dem die beiden glycylierenden Enzyme fehlen. Das Flagellum von Spermien einer solchen KO (knockout)-Maus ist noch intakt, aber die Dynein-Motoren funktionieren nicht mehr richtig, was zu einem fehlerhaften Flagellenschlag führt. Die Mäuse, denen die Glycylierung fehlt, sind unfruchtbar, weil die Navigation der Spermien zur Eizelle beeinträchtigt ist.
Dieser Forschungserfolg wurde durch die Zusammenarbeit mehrerer Forschungseinrichtungen ermöglicht, darunter das Institut Curie in Orsay, das Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI-CBG) in Dresden, das Center of advanced european studies and research (caesar) in Bonn, die Universität Bonn, das Institut Cochin in Paris und das Human Technopole Institute in Italien.
Kontakt
Dr. Luis Alvarez
luis.alvarez@caesar.de
Center of Advanced European Studies and Research,
D-53175 Bonn, Germany.
Dr. Carsten Janke
Carsten.janke@curie.fr
Institut Curie, PSL Research University, CNRS UMR3348,
F-91405 Orsay, France
Dr. Gaia Pigino
pigino@mpi-cbg.de
D-01307 Dresden, Germany
Human Technopole,
I-20157 Milan, Italy
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